«Wir wollen Basel zu einem sichereren Ort machen.»

Imagine, das grösste Gratis-Openair in Basel, macht dieses Jahr Sicherheit zum Thema. Weshalb das nötig ist und was eine neue Partnerschaft mit der Opferhilfe beider Basel bringt, erklärt Til Hänggi im Interview. Er kümmert sich bei imagine um Sensibilisierung.

Auf der Homepage von imagine steht «mehr als ein Festival». Was genau ist imagine?
Das grösste jährliche Festival in Basel auf dem Barfüsserplatz ist sicherlich am bekanntesten. Was leider noch viel zu wenige wissen: imagine organisiert am Festival selbst, aber vor allem auch das Jahr durch viele weitere Veranstaltungen und Aktionen. Immer mit dem Ziel, in Basel und Umgebung Vielfalt sichtbar zu machen und Diskriminierungen zu adressieren. So ist imagine eben «mehr» als Festival und Musik.

Wie legt ihr Themen fest?
Wir orientieren uns an einer jährlichen Jahresthematik, die in Form von Workshops sowie mit Acts auf und neben der Bühne sichtbar gemacht wird. So konnten übers Jahr von Kino-Events im neuen kino basel über Dialogabende und Schreibworkshops bis zu Selbstverteidigungskurse stattfinden. Am Festival selbst ist es uns wichtig, neben lokalen und aussagekräftigen musikalischen Acts auch andere Formate auf die Bühne zu bringen.

Kannst du Beispiele nennen?
Eine langjährige Partner*in ist die Theatergruppe Niemandsland. Ihr gehören Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrungen an. Am Festival 2023 haben wir zudem eine grosse Dragshow zur Hauptspielzeit auf die Bühne gebracht – übrigens die erste öffentlich zugängliche Dragshow dieser Art in Basel. Auch wortgewandte Slampoet*innen konnten wir auf die Bühne holen und DJ-Workshops von Helvetia Rockt für FINTA-Personen (Frauen, intersexuelle-, nicht-binäre- und Transgenderpersonen oder Menschen ohne Geschlechtsidentität) anbieten. imagine ist Leidenschaft, eine Art Aktivismus, mit dem Ziel, Basel und Umgebung zu einem sichereren Raum zu machen.

Wie kam es dazu, dass Sensibilisierung zentraler Teil von imagine ist?
Das Festival begann als «das Festival gegen Rassismus» und hat sich weiterentwickelt, um verschiedene Themen aufzugreifen. Sensibilisierung ist dabei ausschlaggebend, um aktuelle Bedürfnisse im öffentlichen Diskurs anzusprechen, während des Festivals und im Laufe des Jahres.

Was ist deine Aufgabe?
Angefangen habe ich als freiwilliger Helfer bei diversen Events durchs Jahr und am Festival selbst – mitmachen können übrigens alle jugendlichen Menschen bis 26. Gemeinsam mit Selin leite ich nun den Bereich der Sensibilisierung, was zu meiner Herzensangelegenheit geworden ist. Wir arbeiten die Jahresthematik aus, organisieren neben den musikalischen Darbietungen am Festival ein vielseitiges Programm, sorgen für ein möglichst barrierefreies Festivalgelände und sind für das Awareness-Team zuständig. Durchs Jahr organisieren wir sämtliche Veranstaltungen rund um die Jahresthematik.

Wieso ist Awareness bei einem Festival wichtig?
Hier treffen Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen aufeinander. Der bewusst kostenlose Event findet auf dem zentral gelegenen Barfüsserplatz in der Basler Innenstadt statt, was eine grosse Vielfalt an Besuchenden schafft. Die Gründe für ihren Besuch sind vielfältig – sei es aus Interesse am Projekt, am Line-Up oder weil sie daran vorbeilaufen. In solchen Begegnungen entfalten sich individuelle Routinen, Einstellungen und persönliche Umgangsweisen. Zudem reicht es nicht, lediglich einen Sicherheitsdienst auf Platz zu haben, diese sind oft negativ konnotiert und werden damit mit Schlichtung durch Gewalt des Konflikts in Verbindung gebracht.

Was heisst das?
Das Festivalprogramm selbst kann für manche Besuchende unbekannte, augenöffnende oder ungewohnte Situationen bieten, die unterschiedliche Reaktionen hervorrufen. Wenn Anwesende sich überfordert fühlen, Unwohlsein erleben, eine Reizüberflutung erfahren oder gar Übergriffe stattfinden, ist unser Awareness-Team als Vertrauensperson vor Ort. Unser Ziel ist es, dass sich alle Besuchenden wohl und sicher fühlen, sodass möglichst jede Person am Festival teilnehmen kann. Das Awareness-Team ist Schnittstelle zwischen der Festivalleitung und dem Sicherheitsdienst, eine persönliche Anlaufstelle ohne Autorität.

Was tut ihr konkret? Wie könnt Ihr für Awareness sorgen?
Alles baut auf unserem Awareness-Konzept auf. Am Festival haben wir jeweils verschiedene Teams, die parallel auf dem Festivalgelände unterwegs sind. In jedem Team ist eine erfahrene und ausgebildete Person sowie mindestens eine weitere, die vor dem Festival eine gründliche Einführung in das Thema erhalten hat. Das Awareness-Team stellt sich dann zur Aufgabe, jeweils im Dialog mit dem Publikum zu stehen und auf die Bedürfnisse einzugehen. Es ist weder Polizei noch Sicherheitsdienst, sondern eine neutrale Ansprechperson. Das Awareness-Team soll möglichst sichtbar auf Platz sein, durch entsprechende Bekleidung, mithilfe der Moderation, eigener Awareness-Rufnummer und Ausschilderungen. Bereits vor dem Festival wird darauf aufmerksam gemacht.

Weshalb heisst das diesjährige Thema von imagine «Sicherheit»? Was ist das Ziel?
Sicherheit betrifft jede Person direkt oder indirekt, und es ist wichtig, einen konstruktiven Dialog darüber zu führen. Wir wollten die Thematik offenhalten, weil Sicherheit für jede Person etwas anderes bedeutet. Und wir hoffen, damit möglichst vielen Menschen eine Plattform zu bieten, ihre Bedürfnisse aussprechen zu können. Das Ziel ist, gemeinsam über das Thema zu diskutieren und zuzuhören, anstatt einzelne Institutionen an den Pranger zu stellen.

Es gibt neu eine Awareness-Partnerschaft mit der Opferhilfe. Was bringt euch das?
Dies ermöglicht es uns, das Awareness-Konzept zu verbessern und sichtbarer zu machen. Wir können dabei vom Experten*innenwissen der Opferhilfe extrem profitieren. Das erarbeitete Konzept soll auch bei anderen Veranstaltungen genutzt werden können. Gegenseitig können wir für Sichtbarkeit sorgen und uns eine Plattform bieten.

Worauf freust du dich persönlich am meisten am Festival, das am 7. und 8. Juni 2024 in Basel stattfindet?
In meinem letzten imagine-Jahr freue ich mich darauf, erneut mit Herzblut einen weiteren Beitrag für ein inklusives Festival zu leisten. Besonders gespannt bin ich auf ein noch präsenteres Awareness-Team, um ein noch umfassenderes Safe-Space-Gefühl zu schaffen. Darüber hinaus freue ich mich darauf, erneut die Sensibilisierungs-Acts auswählen zu können.