Psychische Gewalt unter Strafe stellen

Psychische Gewalt steht im Zentrum der Aktion «16 Tage gegen Gewalt an Frauen». Sensibilisierung für das Thema ist wichtig. Und es braucht einen eigenen Straftatbestand, um die Opfer von psychischer Gewalt besser zu schützen.

Frauen erfahren psychische Gewalt auf vielfältige Weise: als Beschuldigung, Bedrohung, Demütigung, Einschüchterung und vieles mehr. Täter, die diese Form von Gewalt ausüben, wollen Frauen kontrollieren, diskriminieren und abhängig machen.

Wir wissen, dass viele Frauen von psychischer Gewalt betroffen sind, gerade im häuslichen Umfeld und innerhalb von Beziehungen. Auch stellen wir fest, dass digitale Gewalt gegen Frauen zunimmt, etwa in Form von Cyberstalking. Doch Zahlen dazu gibt es bis heute keine. Warum ist das so?

Wenig sichtbare Gewalt
Psychische Gewalt wird meist verbal ausgeübt und ist deshalb, anders als körperliche Gewalt, wenig sichtbar. Auch die Folgen, welche die Opfer tragen, sind von aussen oft nur schwer zu erkennen. Und ein weiterer Punkt ist zentral: Psychische Gewalt erhält juristisch wenig Aufmerksamkeit. So fehlt in der Schweiz ein eigener Straftatbestand für psychische Gewalt, um Täter strafrechtlich zu belangen.

Deshalb kommen im heutigen Strafrecht bei psychischer Gewalt die Straftatbestände der Körperverletzung, Nötigung und Drohung zur Anwendung. Damit lässt sich psychische Gewalt aber nur sehr ungenügend erfassen. Denn bei Körperverletzung, Nötigung und Drohung geht es um Einzeltaten. Bei psychischer Gewalt sind es aber weniger einzelne Handlungen, die ein Opfer belasten. Häufig sind die Angriffe für sich genommen nicht besonders weitreichend. Was zu schwerwiegenden Beeinträchtigungen führt, ist die Gesamtheit solcher Taten. Deren Wirkung kann sich über längere Zeit aufsummieren. Deshalb reichen die vorhandenen Straftatbestände wie Körperverletzung oder Drohung klar nicht aus.

Mit dem verengten Blick auf Einzeltaten ist zudem die Gefahr verbunden, dass diese bagatellisiert oder sogar als Verhalten unter Liebenden betrachtet werden. Dies, obschon es sich dabei um die Ausübung von Macht und Kontrolle handelt.

Unbefriedigender Zustand
Das führt dazu, dass Personen, die psychische Gewalt ausüben, nur selten nach den genannten Straftatbeständen verurteilt werden können. Diese Situation ist überaus unbefriedigend.

Dass das Strafrecht in näherer Zukunft durch den Tatbestand von Stalking (Nachstellung) ergänzt wird  – der Entwurf für eine entsprechende Gesetzrevision liegt vor –, ändert an diesem Missstand wenig. Denn Stalking erfasst nur einen kleinen Bereich des breiten Spektrums psychischer Gewalt.

Die Schweiz hat die Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt unterzeichnet. Mit Abkommen verpflichten sich die Vertragsparteien, «sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das die psychische Unversehrtheit einer Person durch Nötigung oder Drohung ernsthaft beeinträchtigt wird, unter Strafe gestellt wird.» In den Erläuterungen zur Konvention wird präzisiert, dass sich dies nicht auf ein einzelnes Ereignis beziehen muss. Vielmehr ist ein Verhaltensmuster gemeint, das über einen bestimmten Zeitraum ausgeübt wird.

Ein eigener Straftatbestand
Damit die Schweiz ihre Verantwortung für Opfer psychischer Gewalt wahrnimmt, muss das geltende Strafrecht angepasst werden. Psychische Gewalt ist unter Strafe zu stellen. Dazu braucht es einen eigenen Straftatbestand. Damit können Opfer psychischer Gewalt strafrechtlich besser geschützt werden und der Opferschutz wird gestärkt. Zudem erhält das Thema die erforderliche Aufmerksamkeit, was auch Massnahmen zur Prävention erleichtert.