Gegen Gewalt im Alter

Jede fünfte Person im Alter ist von Gewalt betroffen. Doch die wenigsten suchen Hilfe. Damit sich dies ändert, braucht es viel Sensibilisierung. Dazu ruft am 15. Juni der internationale Welttag gegen die Misshandlung älterer Menschen auf.

 

Wir alle wünschen uns, bei guter Gesundheit alt zu werden, in Würde, mit Wertschätzung und so lange wie möglich selbstbestimmt. Und natürlich ohne im Alter körperlicher oder psychischer Gewalt ausgesetzt zu sein.

Doch die Realität sieht für viele anders aus: Es wird geschätzt, dass in der Schweiz jedes Jahr 300’000 bis 500’000 Menschen über 60 Jahre von Gewalt betroffen sind. Das entspricht der Bevölkerung der Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft zusammen! Genauere Zahlen liegen nicht vor. Nur die wenigsten Fälle werden gemeldet. Fachleute gehen davon aus, dass das Ausmass von Gewalt und Vernachlässigung im Alter unterschätzt wird.

Viele Formen von Gewalt
Seniorinnen und Senioren können auf verschiedene Arten Gewalt ausgesetzt sein: durch körperliche oder sexuelle Gewalt (zum Beispiel durch Schläge oder ungewollte Berührungen), psychische oder emotionale Misshandlungen (Demütigungen oder Drohungen), durch Vernachlässigung (mangelhafte Ernährung oder vorenthaltende Medikamente) oder finanziellen Missbrauch (Entwendung von Geld). Vielfach geschieht dies im häuslichen Umfeld, etwa wenn Angehörige in der Betreuung älterer Menschen überfordert sind. Aber auch in Altersheimen und anderen Institutionen können ältere Menschen von Gewalt betroffen sein.

Im nationalen Fokus
Das will die nationale Kampagne «Gewalt im Alter – Es ist nie zu spät, Hilfe zu holen!» ändern. Dahinter stehen die Schweizerische Kriminalprävention mit Partnerinnen und Partner wie Spitex, Curaviva, Pro Senectute, Alzheimer Schweiz, Opferhilfe Schweiz und viele weitere. Konkret sollen Betroffene ermutigt werden, über das Thema zu sprechen und Hilfe anzufordern.

Viele Fragen
Für uns – als vom Gesetz initiierte und beauftrage Opferberatungsstelle – wirft das Thema Gewalt im Alter viele Fragen auf. Wieso melden sich kaum gewaltbetroffene Menschen über 60 auf den Opferberatungsstellen? Werden gewaltbetroffene Menschen über 60 von den Fachpersonen ausreichend darauf angesprochen und motiviert, sich an die Opferberatung zu wenden und ihre Rechte als Opfer von Gewalttaten wahrzunehmen? Und wo ist die Lobby für Menschen über 60, die das Tabu bricht und den Betroffenen eine Stimme gibt?

Scham und Resignation
Eine aktuelle Studie des Instituts und der Fachhochschule für Gesundheit La Source in Lausanne zeigt auf, weshalb nur wenige Betroffene Hilfe suchen. Zwei Gründe stehen im Vordergrund: Scham und Resignation. Zudem haben sie Angst, eine Meldung könnte negative Folgen haben. Dass sich zum Beispiel die Beziehung zu Angehörigen verschlechtert oder ein Eintritt in ein Altersheim organisiert wird.

Es braucht Sensibilisierung
Der 15. Juni ist der internationale Welttag gegen die Misshandlung älterer Menschen und findet genau ein Tag nach dem Frauenstreiktag statt. Auch bei älteren Menschen sind es die Frauen, die mehrheitlich von Gewalt betroffen sind (auch wenn die Unterschiede zu Männern im Alter kleiner werden). An beiden Tage werden relevante gesellschaftliche Forderungen gestellt. Doch dies ist nur ein erster Schritt. Was es braucht, sind konkrete Handlungen. Und hier können wir alle einen Beitrag leisten. In dem wir bei älteren Menschen auf Anzeichen achten, die auf Gewalt deuten, gerade wenn sie im Alltag Hilfe benötigen. Warnzeichen können Hautschürfungen oder Verbrennungen sein, aber auch ungenügende Ernährung, Isolation oder finanzieller Missbrauch.

Alle haben Anrecht auf Opferschutz
Die Opferhilfe beider Basel ist für alle da, für junge Menschen ebenso wie für Seniorinnen und Senioren. Im Opferhilfegesetz heisst es in Artikel 1: «Jede Person, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Opfer), hat Anspruch auf Unterstützung nach diesem Gesetz (Opferhilfe).»

Opferschutz kennt keine Altersgrenze.

 

Weiterführende Informationen

Gewalt im Alter – Kampagne der Schweizerischen Kriminalprävention

Gewalt im Alter verhindern – Bericht des Bundesrats