Lange war es ein Tabu, über sexualisierte oder häusliche Gewalt gegen Männern zu sprechen. Dass ein Mann Opfer davon werden konnte, war schlicht nicht vorstellbar. Betroffenen war es nicht möglich, über ihre Erfahrungen zu sprechen oder gar Unterstützung zu holen. Doch nun ist ein gesellschaftlicher Wandel zu beobachten.
Seit 2008 werden in der Opferhilfe beider Basel die männlichen Betroffenen von häuslicher und sexualisierter Gewalt durch spezialisierte Fachpersonen beraten. Die Opferhilfe will diese Betroffenengruppe gezielt ansprechen und signalisieren: Wir wissen, dass es Euch gibt, Ihr seid nicht allein, Ihr habt spezifische Bedürfnisse.
Sensibilisierung wirkt
Neben der Beratung der Betroffenen wurde und wird aber auch immer wieder auf eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit, der Behörden und involvierter Stellen hingearbeitet. Parallel dazu zeichnet sich in der Gesellschaft ein Wandel ab. Das Tabu bröckelt, Männer können Opfer werden und dürfen Hilfe holen. Diese Entwicklung lässt sich gut anhand von Zahlen nachzeichnen.
So hat sich die Anzahl der von häuslicher und sexualisierter Gewalt betroffenen Männer von 2008 bis 2023 auf 225 verdreifacht. Im Schnitt nimmt heute pro Tag ein Mann die Beratung bei der OHbB in Anspruch. Zwei Drittel betreffen häusliche Gewalt, ein Drittel sexualisierte Gewalt.
Jahr | 2008 | 2015 | 2023 |
Neue Beratungen | 79 | 121 | 225 |
Tab. 1: Beratungen der OHbB für männliche Opfer von häuslicher oder sexualisierter Gewalt
Gesellschaftliche Veränderung
Es stellt sich die Frage, ob es sich dabei um ein Phänomen der Beratungsstelle handelt oder ob sich ein gesellschaftlicher Wandel abzeichnet. Eine Antwort liefert die nationale polizeiliche Kriminalstatistik. Sie erfasst die Betroffenen von häuslicher oder sexualisierter Gewalt seit 2009 detailliert.
Über einen vergleichbaren Zeitraum zeigt sich bei der Erfassung von männlichen Opfern in Strafverfahren ein Zuwachs von 40%. Diese Zahlen geben allerdings keine Auskunft darüber, ob es mehr Straftaten gab oder ob die Betroffenen aufgrund einer Sensibilisierung vermehrt Anzeige erstatten. Der Anteil der Betroffenen von sexualisierter Gewalt liegt mit 15-25% tiefer als bei der Opferhilfe beider Basel.
Jahr | 2009 | 2015 | 2023 |
Häusliche Gewalt | 2318 | 2511 | 3435 |
Sexualisierte Gewalt | 565 | 551 | 620 |
Tab. 2: Männliche Opfer in Strafverfahren, nationale polizeiliche Kriminalstatistik
Die beiden Zahlenreihen legen nahe, dass ein gesellschaftlicher Wandel im Gang ist. Männer zeigen auch bei häuslicher und sexualisierter Gewalt die Delikte eher an. Und, was wichtig ist, sie holen sich schneller Hilfe. Dass die Zahl der Beratungen der Opferhilfe beider Basel viel stärker gewachsen ist als jene der Strafverfahren, macht etwas deutlich: Das Engagement der Beratungsstelle über die letzten 16 Jahre zeigt Wirkung.
Opferhilfe beider Basel
Steinengraben 5
CH-4051 Basel
Montag bis Freitag
8.30 – 12.00 und
von 13.30 – 16.30