«Stereotypen zu Männlichkeit sitzen tief»

Das Männerbüro Region Basel berät Männer zu ihren Rollen und Aufgaben in ihrem Leben. Geschäftsleiter Florian Weissenbacher erklärt im Interview, welche Dienstleistungen im Fokus stehen, welche Herausforderung sich dabei stellen. Und warum das Angebot erweitert wird.

 

Beim Männerbüro haben Veränderungen stattgefunden. Wo steht das Männerbüro heute?
Anfang 2023 fand ein kompletter Personalwechsel statt. Ich übernahm die Leitung im Juni 2023. Wir mussten uns zuerst als Team finden und das Büro stabilisieren, was uns meines Erachtens gut gelungen ist. Wir stellen fest, dass wir mehr Prozessberatungen führen. Und wir sind dabei, das Angebot zu erweitern. Ein Beispiel ist die Männerberatung in einem Altersheim. Dort führen wir mit den Bewohnern Gruppengespräche zu bestimmten, vorbereiteten Themen und bieten anschliessend Beratungsgespräche zu einer Vielzahl an eigenen Themen an.

Welche Veränderungen gab es im Vorstand?
Wichtig war die Erweiterung des Vorstandes durch Markus Theunert, der sehr viel Erfahrung in der Männerarbeit mitbringt. Ein Fokus dabei ist sicher die Männerarbeit im Sinne der Gleichstellung. Das heisst, dass durch den feministischen Diskurs viele ungute, stellenweise dysfunktionale Verhaltensweisen, die viele Männer an den Tag legen, zur Sprache gebracht wurden. Diese wollen wir angehen.

Kannst du Beispiele nennen?
Das betrifft etwa das Verhalten von Männern in Paarbeziehungen. Chancengleichheit sollte hier zum Wohl beider gelebt werden. Weder muss sich die Frau um die Kinder kümmern, noch muss der Mann das Haupteinkommen generieren. Auffällig sind ebenfalls all die negativen Statistiken, in denen Männer an erster Stelle stehen. Zwar begehen Frauen häufiger Suizidversuche, aber Männer vollziehen den Suizid häufiger. Wir sterben früher, haben mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen, verursachen mehr Autounfälle mit Todesfolgen, führen jede Kriminalstatistik an und werden im Kindesalter häufiger in schulischen Sondersettings und -massnahmen versorgt.

Wie kann das Männerbüro etwas daran ändern?
All das kann nicht einfach auf das Geschlecht zurückgeführt werden, sondern hat auch mit Sozialisierung zu tun. Wir wollen den Männern, die mit dem gesellschaftlichen oder dem persönlichen Status nicht mehr zufrieden sind, einen niederschwelligen Zugang und Unterstützung in ihren eigenen Veränderungsprozessen bieten.

Worin liegen allgemein Eure Aufgabenbereiche?
Dazu gehört die Beratung von Männern zu männerspezifischen Themen wie Work-Life-Balance, Vaterschaft, wechselnde Rollen- und Männlichkeitsbilder. Nach wie vor im Zentrum stehen Trennung und der persönliche Verkehr mit den eigenen Kindern nach Trennungen oder Scheidungen. Diese Themenbereiche sind jedoch gross. Wie erwähnt möchten wir uns öffnen. Für viele Männer ist die Hemmschwelle, ins Männerbüro zu kommen, nach wie vor zu gross. In Planung sind ein Vätermorgen, Infoabende und die Durchführung von Workshops.

Wie beurteilt Ihr die Diskussion bezüglich Männlichkeit und Stereotypen?
Der Diskurs wird politisiert, was ein zweischneidiges Schwert ist. Eine grosse Herausforderung ist dabei, dass die Gesellschaft wenig positive Beispiele über Männlichkeit erhält und diese öffentlich vorgelebt bekommt. Die negativen Beispiele nehmen sehr viel Raum in der Gestaltung des Bildes von Männlichkeit und Stereotypen ein. Männlichkeit wird zu oft mit toxisch in Verbindung gebracht. Die sozialen Medien spielen dabei eine wichtige Rolle. Orientierungslose junge Männer erhalten leider von Dominanz geprägten und toxischen Verhaltensweisen mehr Halt und Orientierung als von anderen Verhaltensweisen. Stereotype sitzen tief und es braucht viel Zeit und Bewegung, diese neu zu denken und zu leben. Die Scham spielt natürlich dabei eine zentrale Rolle.

Welche weiteren Hürden zeigen sich in der Arbeit?
Eine Herausforderung in der Diskussion über Maskulinität erlebe ich darin, dass sie oft wertend geführt wird. Es geht viel Energie verloren, wenn wir bereits zu Beginn lange erklären müssen, weshalb wir uns für Männer einsetzen und dass dies weder mit einer antifeministischen Haltung und noch automatisch mit Toxizität zu tun hat.

Was sind Eure Stärken?
In der Fach- und der Prozessberatung rund um den Kindesschutz und wenn dabei die KESB involviert ist, sind wir gut aufgestellt. Da sind viel Erfahrung und Wissen vorhanden. Ebenso in der Beratung in und nach verschiedenen Krisen, also wenn es um Stabilisierung geht. Zudem leben wir unterschiedliche Rollenbilder von Männlichkeit vor und helfen dabei, Bilder der Klienten zu reflektieren.

Wie definiert Ihr die Zusammenarbeit des Männerbüros mit der Opferhilfe beider Basel? Wo seht Ihr Schnittstellen?
Die Schnittstelle bietet natürlich euer Fachbereich, der Männer und Jungen im Fokus hat. Die Gemeinsamkeiten sind die Themen rund um Männlichkeit. Wobei mir wichtig ist zu erwähnen, dass wir Männer nicht isoliert denken dürfen. Sie sind Teil eines oder mehrerer Systeme, in denen sie sich täglich zurechtfinden müssen. Veränderungen bei einer Person kann zu Widerstand im System führen und damit zu mehr Problemen. Entsprechend muss die Lebenswelt des Klienten berücksichtigt werden.

Wo gibt es eine klare Abgrenzung zur OHbB?
Eine Abgrenzung bildet das Opferhilfegesetz. Für Opfer seid Ihr die Fachpersonen. Wir motivieren Betroffene von Gewalt, die Beratungsleistung der Opferhilfe in Anspruch zu nehmen. Wir erleben die Zusammenarbeit als konstruktiv und zielführend. Ich erlebe beide Institutionen als sehr klientenzentriert.

Wo seht Ihr in der Zusammenarbeit Entwicklungspotenzial?
Spannend wären sicher gemeinsame Infoabende zu männerspezifischen Themen. Da käme sehr viel Wissen zusammen, von welchem die Öffentlichkeit profitieren könnte.