Es braucht Überwindung und Mut, damit Opfer von Gewalt die Hilfe in Anspruch nehmen, die ihnen zusteht. Die Opferhilfe beider Basel lanciert deshalb die neue Sensibilisierungskampagne «Gewalt kennt kein Geschlecht». Sie zeigt zwei Dinge auf: Alle können Opfer von Gewalt werden. Und niemand braucht sich dafür zu schämen. Die Kampagne spricht gezielt auch Männer an.
Scham zu verspüren, ist quälend. Das Gefühl wird ausgelöst durch den Eindruck, sich falsch verhalten zu haben, bestimmten Werten, Regeln oder Ansprüchen nicht gerecht geworden zu sein. Wer sich schämt, möchte unsichtbar sein, im Boden versinken. Es gibt Situationen, da kann Scham, sofern in einem begrenzten, gesunden Ausmass, helfen, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Etwa nach einer heftigen verbalen Äusserung.
Existenzielle Angst
Doch es gibt auch ein Zuviel an Scham. Dies ist der Fall, wenn jemand von Schamgefühlen überflutet wird. Wer einen Fehler gemacht hat, meint dann, selbst ein Fehler zu sein. Dieser Zustand existenzieller Angst wird auch als traumatische Scham bezeichnet. Belastende Schamgefühle können dann zurückbleiben, wenn schützende (körperliche wie seelische) Grenzen verletzt wurden. Zum Beispiel, wenn Intimes aus dem Privatleben öffentlich wurde. Oder wenn Grenzen in drastischer Weise verletzt werden, etwa durch Vergewaltigung oder Folter.
Diese Form von Scham stellt eine Hürde dar: Wer sich schämt, Opfer geworden zu ein, wird kaum die Hilfe anfordern, die erforderlich ist. Hier setzt die neue Sensibilisierungskampagne der Opferhilfe beider Basel an. «Gewalt kennt kein Geschlecht» richtet sich an alle, die von Gewalt betroffen sind. Frauen, Männer, nonbinäre Menschen – alle können Opfer werden, alle können Scham ausgesetzt sein und alle können erfahren, wie die Scham bei den Betroffenen auch durch die gesellschaftliche Täter-Opfer-Umkehr noch verstärkt wird.
Die Kampagne setzt drei Slogans ein:
Auch Männer dürfen verletzlich sein
Die Kampagne spricht gezielt Männer an. Auch sie sind verletzlich und haben Anspruch auf Hilfe. Sich dies einzugestehen, fällt bis heute vielen Männer schwer. Viele Straftaten werden nicht gemeldet, die Dunkelziffer ist entsprechend gross. Das zeigen auch die offiziellen Zahlen: In der Schweiz sind 75% der straffälligen Personen und 56% aller Betroffenen von Straftaten männlichen Geschlechts. Doch bei den Opferberatungsstellen machen männliche Hilfesuchende nur 30% der Fälle aus.
Das Opferhilfegesetz der Schweiz, vor über 30 Jahren eingeführt, ist ein wichtiges Instrument. Alle von Gewalt betroffenen Personen dürfen sich Hilfe holen und haben ein Recht darauf – Frauen, Männer, nonbinäre Menschen. Damit kann den Opfern die Würde zurückgegeben werden, die ihnen durch eine Straftat genommen wurde.
Dossier zu «Gewalt kennt kein Geschlecht»
Die Opferhilfe beider Basel hat ein Dossier zum Thema «Gewalt kennt kein Geschlecht» zusammengestellt. Dort finden sich weitere Beiträge, Interviews und Hintergrundartikel. Ebenso kann Kampagnenmaterial gratis bezogen werden.
Die Kampagne umfasst Plakate, kurze Animationen und Karten, bei denen die Betrachtenden selber in Aktion treten und die versteckten Sätze sichtbar machen können. Durch diese Handlung hat das Thema Gewalt einen Einfluss in die visuelle Erscheinung der Kampagne, ohne auf klassische Bildwelten zurückgreifen zu müssen, da diese oft nur eine spezifische Zielgruppe ansprechen und Gewalt auf eine sehr explizite Art und Weise dargestellt wird und dabei Gewaltformen ausschliesst, die nicht immer visuell fassbar sind.
Ein QR-Code auf den Plakaten und Karten führt zu dieser Seite mit Beiträgen, Interview und Hintergrundartikeln rund um das Thema.
Sind Sie am Material der Kampagne interessiert? Bitte melden Sie sich.
Opferhilfe beider Basel
Steinengraben 5
CH-4051 Basel
Montag bis Freitag
8.30 – 12.00 und
von 13.30 – 16.30