Anordnungsmodell: Was sich in der psychologischen Psychotherapie ändert

Seit dem 1. Juli 2022 können psychologische PsychotherapeutInnen mit entsprechender Qualifikation ihre Tätigkeit selbständig ausüben und ihre Leistungen über die Grundversicherung abrechnen. Voraussetzung dafür ist, dass für die Behandlung eine ärztliche Anordnung vorliegt. Das neue Modell heisst denn auch Anordnungsmodell.

Damit wird das Delegationsmodell abgelöst. Es verlangte, dass PsychologInnen unter ärztlicher Aufsicht standen, wofür sie in der Praxis einer Psychiaterin oder eines Psychiaters arbeiten mussten. Nur dann wurde die Therapie von der Grundversicherung vergütet. Das Delegationsmodell war 1993 als Übergangslösung eingeführt worden, weil es zu diesem Zeitpunkt noch keinen Titel für psychologische PsychotherapeutInnen gab, der schweizweit anerkannt war. Diesen Titel gibt es seit 2013.

Wer Behandlungen anordnen kann

Anordnungen für eine Therapie können unter anderem Ärztinnen und Ärzte mit einem eidgenössischen oder einem anerkannten ausländischen Weiterbildungstitel in Allgemeiner Innerer Medizin, in Psychiatrie und Psychotherapie, in Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie und in Kinder- und Jugendmedizin ausgestellt werden. Die Anordnung wird in den meisten Fällen über die Hausärztin oder den Hausarzt erfolgen. Sie gilt für 15 Therapiestunden und kann, nach einem Informationsaustausch zwischen der anordnenden ärztlichen Fachperson und der ausführenden PsychotherapeutIn, um weitere 15 Stunden verlängert werden. Soll die Therapie darüber hinaus weitergeführt werden, ist eine Kostengutsprache der zuständigen Krankenkasse nötig.

Voraussetzungen für TherapeutInnen

Damit PsychotherapeutInnen nach dem neuen Modell arbeiten können, werden gewisse Voraussetzungen verlangt. Dazu gehört eine kantonale Bewilligung zur Berufsausübung in Psychotherapie, wofür sie im Besitz eines eidgenössischen oder eines anerkannten ausländischen Weiterbildungstitels in Psychotherapie sein müssen. Weiter benötigen sie mindestens drei Jahre klinische psychotherapeutische Erfahrung, und sie üben den Beruf selbstständig und auf eigene Rechnung aus.

Was sich für die Opferhilfe ändert

Auch für die Opferhilfe beider Basel ist die Einführung des Anordnungsmodells von Bedeutung. «Wir versprechen uns vermehrt Abrechnungen über das KVG, so dass die Opferhilfe nur noch die Selbstkosten, also Franchise oder Selbstbehalte, aber nicht mehr die vollen Therapiekosten tragen muss», sagt Thomas Gall, stellvertretender Geschäftsleiter der Opferhilfe beider Basel. «Damit wird auch das Subsidiaritätsprinzip, welches das Opferhilfegesetz vorsieht, besser gewahrt.»

Übergangsregeln bis Ende 2022

Noch bis zum 31. Dezember 2022 kann die delegierte Psychotherapie von den Krankenkassen vergütet werden. Wer delegiert arbeitet und die Zulassungsvoraussetzungen für das Anordnungsmodell nicht erfüllt, kann noch bis zu diesem Zeitpunkt delegiert tätig sein. Danach ist es nicht mehr möglich, Therapien über die obligatorische Krankenversicherung abzurechnen. Fachpersonen, die vor der Einführung des Anordnungsmodells eine kantonale Berufsausübungsbewilligung besassen, können weiterhin eingeschränkt im jeweiligen Kanton in eigener fachlicher Verantwortung tätig sein. Ihre Leistungen werden jedoch nicht von Krankenkassen vergütet.

Genügend TherapeutInnen?

Das neue Modell hat zum Ziel, dass PatientInnen besseren und früheren Zugang zu Psychotherapie erhalten und Versorgungslücken geschlossen werden. Ob das eintritt, bleibt abzuwarten. «Es ist noch nicht klar, ob sich genügend TherapeutInnen für das Anordnungsmodell zertifizieren lassen und es einfacher wird, einen Platz zu finden», sagt Thomas Gall. Der Systemwechsel benötigt Zeit. «Im Moment herrscht bei den betroffenen TherapeutInnen, Ärztinnen und Ärzte, Versicherungen und Fachstellen  eine gewisse Verunsicherung. Wir hoffen, dass sich dies bald für alle klärt.»

Weiterführende Informationen
Bundesamt für Gesundheit: Neuregelung der psychologischen Psychotherapie

Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen: Psychologische Psychotherapie in der Grundversicherung